Rede des ersten Vorstands anlässlich des Werbekonzerts 1977

Oberstreu, den 1.Mai 1977

Als Vorstand der Musikkapelle ist es für mich eine große Freude, so viele Gäste aus Nah und Fern begrüßen zu können. Besonders begrüßen möchte ich unseren Ehrenbürger der Gemeinde "Hauptlehrer Pottler". Eine besondere Freude ist es aus den Reihen der Gäste begrüßen zu können, stellvertretenden Landrat von Rhön Grabfeld Amtmann Volkmuth, stellvertretenden Kreisvorsitzenden des Nordbayrischen Musikbundes Herrn Robert Mültner Mellrichstadt. Bürgermeister Anton Türk mit seinem Gemeinderat. Die Nachbarmusikkapelle Mellrichstadt mit Ihrem Stadtkapellmeister Kihn, sowie die Nachbarmusikkapelle aus Mittelstreu mit Ihrem Dirigenten Ment, Stadtkapellmeister Thiel aus Ostheim, die Vorstände des Sängerverein Herrn Streit und Turnverein Herrn Ledermann.

Nachdem die Musikkapelle Oberstreu seit dem 1. Jan. 1977 Mitglied des Nordbayrischen Musikbundes ist, möchte Sie nun heute ein Werbekonzert veranstalten mit dem Ziel, Jugendliche zu begeistern für die Musik und somit den Nachwuchs und fortbestehen der Kapelle gesichert sind. Auch fördernde Mitglieder der Musik sind in unseren Reihen wünschenswert. Mit diesem Werbekonzert soll auch der Anfang gemacht werden, die Kameradschaft der Nachbarkapellen zueinander zu pflege, mit dem gemeinsamen Ziel, die Volksmusik aus der Guten alten zeit besonders hier im Norden Unterfrankens der Rhön wieder mehr ins Leben zu rufen. Wie schön waren doch die alten Tänze von Hoffmann, Halter, Brusick und Bißmark. Bei Tanzmusik, besonders in der Rhön wurden sie der Reihe nach: Schottisch, Walzer, Rheinländer, Polka, Mazurka und Galopp gespielt.
Es gibt ein schönes, altes Volkslied das heißt: "Lang, Lang ist´s her" und ich glaube mit Recht sagen zu können, Dass dies auch für die Ortskapelle Oberstreu zutreffen dürfte. Nachforschungen aus handgeschriebenen Noten haben ergeben, dass schon im Jahre 1865 in Oberstreu junge Männer musiziert und sich zu einer Musikkapelle zusammen geschlossen hatten. Es wahren dies:

Johann Fuchs,
Kasper Fuchs,
Eduard Fuchs,
Albert Werner,
Silvester Schirber,
Valerius Ress,
Johann Gottwalt.

Die mündliche Überlieferung sagt sogar, dass Oberstreuer Musiker, mit Herrn Anton Tretter, Musiker und Fotograf aus Mellrichstadt über die Ortsgrenzen hinaus bekannt waren. Sie spielten bis nach Grafenrheinfeld im Süden und Meiningen im Norden. Sehr viel spielten die Oberstreuer Musiker im nahen, gastfreundlichen Thüringen Festlichkeiten und Kirchweih. Es wird sogar noch erzählt, dass die Oberstreuer Musiker immer ein Kopfkissen dabei hatten, wenn Sie in Thüringen spielten, um den vielen Kermesplotz und Plätzchen mit nach Hause zu bringen. Eine weitere Überlieferung besagt, dass bei einem Sängerfest 1896 in der Brückenwiese von Albert Werner, dass Trompetensolo "Die Post im Walde" geblasen wurde. Wie überall dreht sich das Rat der Zeit unaufhaltsam weiter. So kam es, dass nach dem Musizieren bei der Hochzeit des Ehepaares Albert Johann Gottwalt "Dorfmühle in Oberstreu" am 19. Mai 1920 durch fortgeschrittenes Alter die Kapelle sich auflöste. Wie immer als rührige Gemeinde bekannt, übernahm dann die damalige Jugendkapelle das Musizieren. Es waren dies:

Ludwig Müller I
Willi Werner,
Ludwig Werner,
Albrecht Gottwalt,
Rudolf Heuring,
Karl Lörzel,
Andreas Bach,
Josef Hemmert,
Ludwig Fuchs,
Richard Mock,
Anton Brunn.
Später kamen dann noch dazu:
Bruno Habermann,
Alfred Mock und
meine Wenigkeit, Ludwig Schmitt.

Durch fleißiges proben im Hause Willi Werner unter der damaligen Leitung von Gottlob Mohr aus Mittelstreu und später Johann Müller aus Mellrichstadt, machte die junge Kapelle sehr gute Fortschritte. Sehr bald waren die jungen Musiker auch über die Ortsgrenzen hinaus bekannt und es kam zum Spielen in Bahra an Pfingsten zum Scheibenschießen und Kirchweih, in Unsleben Turnfeste und Tanzmusik. Auch in Thüringen war die junge Kapelle bald bekannt und beliebt.
Mit Freude, aber auch etwas Wehmut, denke ich an die radiolose Zeit zurück, in der wir an den Festtagen Weihnachten, Neujahr, Ostern die schönen Winterkonzerte mit dem Sängerverein in Oberstreu durchgeführt haben. Ein beachtliches Konzertprogramm, dass noch vorhanden ist aus dem Jahre 1928, wurde im Gasthaus zum Frohsinn (Beck) oder "Obere Wirt" geben Zeugnis von der guten Leistung der Kapelle.
Nicht vergessen und besonders erwähnen möchte ich das Musizieren an den Festtagen in der Kirche bei den Festgottesdiensten. Die jungen Musiker ließen es sich nicht nehmen, die Tradition ihrer Vorgänger weiter aufrecht zu erhalten, indem sie mit dem gemischten Sängerchor unter der damaligen Leitung von Schulrat Kirchner und anschließend Hauptlehrer Pottler, musikalische Messen aufzuführen. Heute wird noch von älteren Leuten öfters erwähnt, wie feierlich es war an Ostern, Pfingsten und Kirchenpatrozinium (Andreastag) und Weihnachten musikalische Messen, wie "Festmesse mit Pauken und Trompeten", Schutzengelmesse, Papstmesse usw. Bei Beerdigungen wurden die Deutsche Messe von Schubert "Wohin soll ich mich wenden" oder ein Requiem aufgeführt. Die Kirchengemeinde hatte sogar früher Musikinstrumente gekauft und zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt. Es waren 2 Geigen, 1 Viola, 1 Cello, 1 Streichbass, 2 Waldhörner und 2 Pauken. Leider sind diese wertvollen Instrumente, besonders der Bass nicht mehr vorhanden, wahrscheinlich im Strudel des letzten Weltkrieges verschollen.
Als im Jahre 1930 die Stadtkapelle in Bad Neustadt a. S. gegründet wurde, waren die Oberstreuer Musiker mit von der Partie. Der Beitritt zur Stadtkapelle forderte von uns allerhand Strapazen und Anstrengungen. Zweimal in der Woche während der Wintermonate fuhren wir mit Fahrrad, bei Schnee und Kälte, Regen und Wind nach Bad Neustadt zur Probe. Der Erfolg blieb auch nicht aus. Wir hatten fast jedes Wochenende Festlichkeiten und Kurkonzerte zu spielen.
Auch das 100 jährige Reich von Adolf Hitler ging an den Oberstreuer Musikern nicht ungeachtet vorüber. So kam es, dass ein Teil von Ihnen in Bad Neustadt und ein Teil in Mellrichstadt zu einer politischen Kapelle organisiert waren. Wir spielten sehr viel Propaganda Marschmusik und bei Versammlungen. Sogar beim Reichsparteitag in Nürnberg 1934 waren wir dabei und werden ihn nie vergessen. Wir machten Marschmusik von früh um 4 Uhr und kamen glücklich müde und erschöpft um 10 Uhr Vormittag am Dutzenteich an. Es wurde von uns alles sehr bedauert, dass der 2. Weltkrieg 1939-45 der Stadtkapelle ein Ende setzte.
Nach dem Krieg fanden wir Oberstreuer Musiker uns wieder zusammen und setzten in Altgewohnter Weise das Musizieren fort. Sehr bald war die Oberstreuer schmissige Blaskapelle überall bekannt und fast jedes Wochenende war ausgefüllt mit Spielen zu Festlichkeiten und Tanzmusiken. Erwähnen möchte ich da ganz besonders eine Tanzmusik mit der Oberstreuer Blaskapelle in der Kräuterhalle am Stationsberg. Mit Selbstgebrannten Schnaps, Hausmacher-Wurst, Schinken und Käsekuchen versuchte man die Nachkriegssorgen zu unterdrücken. Dabei hatten Manche die Kraft des Alkohols verkannt und sich dabei auf dem Heimweg verfehlt. Sie irrten in dem anschließenden Wäldchen umher, bis in den frühen Morgenstunden die Sonne den Weg nach Hause zeigte.
Auch bei der Stadtkapelle Mellrichstadt, die nach dem Krieg gegründet wurde, haben die Oberstreuer Musiker sehr oft mitgespielt. Dabei schälte sich eine Tanzkapelle heraus, meist Oberstreuer Musiker, die verpflichtet wurden 2 Jahre lang jeden Abend in Mellrichstadt "Hotel Schwan" oder Stockheim Villa Heilmann (Sägewerk) zu spielen. Im laufe der Zeit kam es soweit, dass auch Oberstreuer Jugendliche sich meldeten, um Musik zu erlernen. Durch fleißiges Proben unter der Leitung von Ludwig Müller I ist es nun alt und jung zu einer größeren Kapelle zusammen gewachsen. Es wäre zu wünschen, dass noch weitere Jugendliche den Weg zur Musik finden mögen.
Die Bedeutung einer Musikkapelle als Kulturträger in einer Gemeinde, möchte ich nur am Rande erwähnen. Ich glaube, dass der Bürgermeister mit seinem Gemeinderat, dass am besten zu schätzen weiß.
Die Musikkapelle ist noch in Aufbau. Benötigt wird ein Proberaum in dem Jugendliche jeder Zeit proben können und Gruppenunterricht regelmäßig abgehalten werden kann. Auch werden Geldbeträge benötigt, um Noten kaufen zu können. Deshalb wäre zu wünschen, dass sich passive Mitglieder bei der Kapellenleitung melden mögen.
Erwähnen möchte ich noch bei dieser Gelegen hei Noten oder Fotografien von der früheren Musikkapelle, die vielleicht auf den Dachböden achtlos herumliegen, uns zukommen zu lassen.
So will ich jetzt zum Schluss kommen. Möge dieses Werbekonzert der Musikkapelle Oberstreu einen guten, vollen Erfolg bringen. Allen Anwesenden einen fröhlichen, vergnügten Abend und den Gastkapellen einen starken Applaus.

Diese Ansprache wurde am 13. März (Samstagabend) 1977 gehalten und für spätere Zeiten handschriftlich für das Protokollbuch geschrieben.

Ludwig Schmitt, 1. Vorstand.